Das Europäische Parlament hat am 18. Juni 2020 die sogenannte Taxonomie-Verordnung angenommen. Damit wird in der EU ein einheitliches Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen etabliert.
Die Verordnung tritt nach der Veröffentlichung im Amtsblatt innerhalb von 20 Tagen in Kraft. Sie muss im Anschluss allerdings noch durch technische Standards präzisiert werden. Die Kriterien für detaillierte Umweltziele werden bis Ende 2021 definiert: Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel (bis Ende 2020), nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme (bis Ende 2021).
Eine Expertengruppe formuliert gemeinsam mit Vertretern des privaten und öffentlichen Sektors sowie der Zivilgesellschaft die Kriterien aus. Diese Gruppe umfasst 57 Mitglieder, von denen 50 im Rahmen einer bis Mitte Juli 2020 dauernden Bewerbungsphase ausgewählt werden. Bewerbungen sind über die Webseite der Europäischen Kommission möglich. Die übrigen sieben Mitglieder werden von der Generaldirektion für Finanzstabilität und Kapitalmärkte (GD FISMA) ernannt und umfassen beispielsweise Vertreter der Europäische Umweltagentur (EUA) und der Europäischen Investitionsbank (EIB).
Ein nachhaltiges Finanzwesen (englisch „Sustainable Finance“) gilt als ein wichtiger Stützpfeiler des europäischen Grünen Deals, mit dem der Übergang zu einer ressourceneffizienten und letztendlich klimaneutralen EU-Wirtschaft bis 2050 bewältigt werden soll.
Unter Nachhaltigkeit versteht man neben Umwelt- und Klimaschutz auch soziale Aspekte wie faire Arbeitsbedingungen und Gleichberechtigung sowie eine Unternehmensführung, die nach ethischen Standards agiert. Aus diesem Grund werden nachhaltige Investitionen meist mit Blick auf die sogenannten ESG-Kriterien (Environment, Social and Governance) beurteilt.
So finden sich mittlerweile beispielsweise viele ETFs mit Namenszusätzen wie „ESG Screened“ oder auch „SRI“ (basierend auf einem „Social Responsible Index“), die Beteiligungen an Unternehmen mit mangelhaften Umwelt-, Sozial- und Ethikstandards nach Möglichkeit ausschließen wollen. Letzten Endes müssen Anlegern bei solchen Produkten jedoch stets darauf vertrauen, dass die Einhaltung der im Prospekt beworbenen Nachhaltigkeitskriterien durch den Anbieter bzw. Index-Herausgeber konsequent und kontinuierlich sichergestellt wird. Klare Zulassungskriterien ähnlich des OGAW/UCITS-Label gab es bislang nicht.
Die Taxonomie-Verordnung sorgt nun für mehr Verbindlichkeit – wenn auch erst mal nur für den Teilbereich Environment. Kriterien in den Bereichen Social und Governance sind in der Regel deutlich schwerer zu definieren. Sie hängen oft von den – teils sehr unterschiedlichen – moralischen Vorstellungen des Anlegers ab. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die EU diese Aspekte erst einmal elegant umschifft hat.
Die Umsetzung der Taxonomie-Verordnung wird zweifelsohne Aufwände bei den Finanzdienstleistern erzeugen. So ergänzt diese beispielsweise die die der SFDR-Verordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation) festgelegten Offenlegungspflichten. Dies betrifft vorvertragliche Offenlegungen, wie die Angabe des Investitionsanteils in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten, die für das Finanzprodukt ausgewählt wurden. Zusätzlich müssen auch unternehmensweite Informationen erfasst und veröffentlicht werden, wie zum Beispiel der Umsatzanteil von Produkten und Dienstleistungen, die mit als ökologisch nachhaltige eingestuften Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind.
Gleichzeitig ergeben sich durch das Klassifizierungssystem neue Potentiale, um nachhaltig orientierte Anleger gezielt anzusprechen und durch die extern vorgegebenen Kriterien ein hohes Maß an Transparenz und Vertrauenswürdigkeit zu signalisieren. Dies ermöglicht es Finanzdienstleistern, sich in den Bereichen Anlageprodukte und -beratung glaubwürdig im Wachstumsmarkt Nachhaltige Investitionen zu positionieren.
Es lohnt sich für Finanzinstitute, die neue Taxonomie-Verordnung frühzeitig und proaktiv in ihre Abläufe zu integrieren. Anpassungen berühren die gesamte Wertschöpfungskette: vom Produktmanagement und der Kundenbetreuung, über das Financial Reporting, bis hin zu den IT-Systemen. syracom unterstützt Sie fachlich und technologisch bei der Realisierung. Die Betrachtung als langfristiges Querschnittsthema stellt dabei sicher, dass Sie im Bereich Nachhaltigkeit auch für zukünftige Entwicklungen im regulatorischen Umfeld und auf der Nachfrageseite gewappnet sind.
Mit mehr als 20 Jahren Fachexpertise und IT-Kompetenz entwickelt syracom für Banken innovative, zukunftsfähige und maßgeschneiderten Lösungen. Wir ebnen unseren Kunden den Weg in die digitale Transformation. Mit Blick auf die Taxonomie-Verordnung profitieren Sie von unserem langjährigen Knowhow im Bereich Retail Banking, sowie zahlreichen Referenzprojekten mit Schwerpunkt Anlageberatung und Product Governance.
Oliver Tornow ist seit 2014 bei syracom als Senior Consultant im Geschäftsfeld Banking tätig. Seine Schwerpunkte liegen in der Beratung von Finanzdienstleistern im Bereich Wertpapierabwicklung, Collateral Management und Finanzmarktregulierung. Zu seinen bisherigen Projekten zählen die Umsetzung von TARGET2-Securities und der Initial-Margin-Pflicht für ungeclearte OTC-Derivat-Geschäfte. Daneben beschäftigt er sich mit den neusten Entwicklungen im Bereich Zahlungsverkehr und Sustainable Finance.
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