In aller Munde und online hochgelobt: Robotic Process Automation, kurz RPA, als Wundermittel für Effizienzsteigerungen in jedem Unternehmen und fast jedem Bereich.
RPA hat End-to-End automatisierte Prozesse zum Ziel. Dafür werden virtuelle Assistenten, welche manuelle und regelbasierte Prozesse auf der Nutzeroberfläche fehlerfrei imitieren, an Mensch-Maschine-Schnittstellen platziert. Veränderungen an der bestehenden Systemlandschaft sind dazu nicht notwendig, da RPA nicht-invasiv agiert. Programmierkenntnisse sind zur Erstellung ebenfalls keine Voraussetzung, da man die Roboter per Drag & Drop selbst als Fachabteilungsmitarbeiter modellieren kann. Dadurch fallen die Kosten niedrig aus und ein schneller Return on Investment ist zu verbuchen.
Roboter arbeiten pausenlos und nehmen Mitarbeitern monotone Fleißarbeiten ab. Diese werden entlastet und können sich auf anspruchsvollere Aufgaben oder beispielsweise den persönlichen Kundenservice konzentrieren. Folgen sind eine gesteigerte Mitarbeiterzufriedenheit, eine verbesserte Servicegeschwindigkeit und immens reduzierte Prozessdurchlaufzeiten.
Insbesondere in Bereichen, in denen Dokumentation und Nachprüfbarkeit kritische Punkte sind, kommen die Vorteile von RPA zur Geltung. Da jede Aktion in Logs gespeichert ist, wird Anforderungen an Audit und Compliance auf ideale Weise entsprochen.
Soweit zu den Versprechungen von RPA.
Dieser Vorstellung stehen harte Fakten gegenüber. 2018 veröffentlichte Deloitte zum dritten Mal die Global RPA Survey. Laut der Studie scheitern 50 % der RPA-Projekte und 63 % der Führungskräfte sind mit der tatsächlichen Implementierungsdauer unzufrieden. Nur 3 % aller Projekte erfüllen ihre Zielvorgaben.
Gründe dafür gibt es viele. Diese reichen von einer suboptimalen Projektdurchführung bis hin zu falschen Vorstellungen dessen was RPA leisten kann. Mangelhafte Ergebnisse resultieren. Das frustriert insbesondere bei Erstanwendung.
"The lesson here is that you have to go slow to go fast" (Kellie King, CEO Lean Automation)
Rahmenbedingungen auf organisatorischer Ebene können ein Faktor sein. RPA-Projekte brauchen von vornherein eine strategische Verankerung und ausreichend Unterstützung aus der Vorstandsebene. Dabei müssen die betroffenen Mitarbeiter frühzeitig einbezogen werden und Erwartungen gesteuert werden.
Sind die Voraussetzungen erfüllt, können nun bei der Prozessauswahl einige Fehler gemacht werden. Ein mit RPA automatisierbarer Prozess ist regelbasiert und Entscheidungen sind nicht vom Bauchgefühl des ausführenden Mitarbeiters abhängig. Der Prozess hat einen hohen Durchsatz und strukturierte, maschinenlesbare Daten als Verarbeitungsgrundlage. Ausnahmen sind selten und können eindeutig definiert werden.
Hat man einen geeigneten Prozess gefunden, definiert und optimiert, geht es an die Umsetzung.
"Automation is a journey, not a destination. A big part of undertaking any journey is understanding where you are before planning where you want to go." (Dan Twing, President and COO Enterprise Management Associates)
Dabei müssen IT- und Fachabteilung zusammenarbeiten. Fachabteilungen alleine können nicht alle technischen Anforderungen erfüllen. Für eine nachhaltige, langfristig nutzbare Automatisierung muss im Hinblick auf Wartung, Modularität und Skalierbarkeit die IT-Abteilung einbezogen werden. Programmierkenntnisse sind zur reinen Erstellung von Robots zwar nicht erforderlich, aber man muss wie ein Informatiker denken können, da die Drag & Drop Kästen der gleichen Logik folgen, wie die Programmierung. Die Codefreiheit stellt meiner Ansicht nach lediglich eine Erleichterung der Zusammenarbeit dar. Die IT-Abteilung wiederum hat eine schlechtere Prozesskenntnis als die Fachabteilung und kann die fachlich erforderlichen Kompetenzen nicht erbringen. Man erhält das effizienteste Ergebnis, wenn man Stärken beider Abteilungen kombiniert.
RPA automatisiert Schnittstellen, die sonst von Menschen bedient werden. Dabei simuliert der Robot das Auslesen von Daten in einer Anwendung – meist über die Bildschirmschnittstelle, die Transformation und das Eingeben dieser Daten in eine andere Anwendung. Das bedeutet aber auch, dass bei Änderungen der betroffenen Systeme der Robot ggf. nicht mehr korrekt arbeitet und der Wartungsaufwand entsprechend hoch ist. Daher ist immer zu prüfen, ob es anstelle von RPA nicht bessere Wege der Automatisierung (Stichwort Softwareintegration) zur Verfügung stehen.
Weitere exogene Faktoren, wie zum Beispiel die Firmengröße, beeinflussen die Erfolgsaussichten eines Projekts. Kleinere Firmen, die weniger Ressourcen für Automatisierungsprojekte aufwenden können, haben größere Schwierigkeiten dabei diese in Angriff zu nehmen. RPA-Lösungen sind prozessspezifisch, weshalb ein hohes Volumen des jeweiligen Prozesses erforderlich ist, um einen zeitnahen Return on Investment zu generieren. Größere Firmen erreichen leichter ein ausreichendes Prozessvolumen, haben dafür allerdings eine Vielzahl an zu automatisierenden Prozessen. Eine RPA-getriebene Gesamtdigitalisierungsstrategie ist durch mangelnde Übersichtlichkeit aufwändiger zu realisieren, je größer die Firma ist.
Wie kann es den Schwierigkeiten zum Trotz sein, dass 78 % aller bisherigen Nutzer sich dazu entscheiden zu reinvestieren? Der Marktentwicklung folgend vermuten Unternehmen, dass langfristig über 20 % aller benötigten FTE-Kapazitäten (Full Time Equivalent oder auch Vollzeitmitarbeiter) durch Roboter erbracht werden können. Dabei spielt die erwartete Verbindung zu künstlicher Intelligenz sicherlich eine wesentliche Rolle. Selbstlernende Roboter, die zum Beispiel auch mit unstrukturierten Daten oder Ausnahmen zurechtkommen, heben erwartete Renditen auf ein neues Niveau. Interessant ist dabei, dass statistisch gesehen IT-Mitarbeiter RPA als Automatisierungstool kritischer sehen, als Mitarbeiter von Fachabteilungen.
RPA eignet sich gut als Einstieg in die Digitalisierung, da kein Eingriff in die bestehende Systemlandschaft vorgenommen werden muss. Zu bedenken ist, dass dies gleichzeitig eine wesentliche Gefahr darstellt. Notwendige Innovationen und Investitionen in Systeme werden möglicherweise aufgeschoben, da akute Missstände nicht direkt spürbar sind. RPA als Notpflaster lindert den Schmerz kurzfristig. Jahre später wird die Erneuerung, teils jetzt schon veralteter Systeme, jedoch zeit- und kostenintensiv.
Oberstes Ziel sollte jedoch eine ganzheitliche Prozessautomatisierung sein. Hierbei kann RPA als ein Tool in bestimmten Situationen sicherlich einen wertvollen Beitrag zur Effizienz leisten. Dazu muss man aber das realistische Leistungsspektrum von RPA kennen und Probleme in der Umsetzung antizipieren. Die Kernfrage lautet dann: "Löst RPA möglicherweise mein Problem?" und nicht "Wie kann ich dieses Problem jetzt mit RPA lösen?"
Ich möchte mich an dieser Stelle bei Madlen Miljevic bedanken, die mich tatkräftig bei der Erstellung dieses Blogbeitrages unterstützt hat.
Manfred Freitag ist Managing Consultant und leitet den Themenbereich Geschäftsprozessmanagement und -optimierung bei syracom. "Geschäftsprozessmanagement und Automatisierung bilden wesentliche Eckpfeiler der Digitalisierung. RPA ist ein möglicher Baustein in der Optimierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen", so Manfred Freitag.
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